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Rekonstruktion des MPSB-Personenwagens No. 13

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Sa 24 Feb 2018, 00:54
Liebe Feld- und Kleinbahnfreunde,

erlauben Sie zunächst, daß ich mich Ihnen vorstelle:
Die Mecklenburg-Pommersche-Schmalspurbahn (M.P.S.B.) ließ mich 1913 bei der Wagenbau-Aktien-Gesellschaft Wismar mit sieben Brüdern erbauen. Mit dem auf 600 mm ultimativen und bezüglich Komfort dem Material vieler Schmalspur- und Privatbahnen überlegenen Luxus einer Dampfheizung, Toilette und Gasbeleuchtung zählte ich zu den modernesten Personenwagen dieser Zeit.

Stolz präsentierte man uns im Katalog der Waggonfabrik:
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Hier sieht man meinen ältesten Bruder bereit für den ersten Einsatz bei der M.P.S.B. Mit unseren 13 Metern Länge über Puffern waren wir schon eine stattliche Erscheinung:
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Als Wagen Nr. 22 wurde ich in Dienst gestellt und ersetze die alten, noch auf dem vorherigen Jahrhundert stammenden, Personenwagen im regulären Reiseverkehr. Später, etwa 1922, als die alten Wagen verkauft oder verschrottet wurden, erhielt ich die Nummer 13. Insgesamt stand ich über 50 Jahre auf meiner Heimatstrecke im Einsatz. In dieser Zeit erlebte ich zwei große Kriege, Monarchie, Demokratie, und Diktatur, den Aufstieg und die Blüte der M.P.S.B. in den 30er Jahren und ihren abrupten Niedergang ab 1945.

Zur Abfahrt bereit stehe ich am Bahnhof „Große Wiese“ 1930:
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Mit der Übernahme der M.P.S.B. durch die Deutsche Reichsbahn im Jahre 1949 wurde ich dann ein richtiger Staatsbahnwagen. Mit der Nummer 6.013 und später 960-104 konnte ich mich auch damals noch gut neben den Wagen der großen Bahn sehen lassen.

Um 1965 stehe ich, irgendwo zwischen Friedland und Anklam, zur Abfahrt bereit:
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Doch das Ende kam rasch. 1969 wurde die älteste und letzte 600 mm – Eisenbahn mit öffentlichem Personenverkehr in Deutschland stillgelegt. Aus diesem Anlass fuhren noch einmal lange, festlich geschmückte Sonderzüge für Eisenbahnfreunde von nah und fern. Diesem traurigen Spektakel konnte ich damals bereits nur zusehen, denn ich stand schon abgestellt als Ersatzteilspender hinter dem Friedländer Lokschuppen.
Nachdem wir 1913 bis 1969 die Hauptlast des Personenverkehrs auf der M.P.S.B. getragen hatten, wurden wir verkauft oder verschrottet. Lediglich ein Wagen (Nr. 12) blieb als nicht betriebsfähiges Denkmal in Friedland erhalten. Damals wäre sicherlich auch ich verschrottet worden, hätte nicht Herr Klaus Arnholdt aus Buchholz fünf Loks, elf Güterwagen und eben mich erworben und damit gerettet.

Und so kam es, dass ich am 17.06.1972 am Friedländer Bahnhof auf einen Flachwagen verladen wurde und meine bis dahin größte Reise antrat:
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Doch das ist eine andere Geschichte …

Bis dahin:
Auf Wiederfahren!
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Sa 24 Feb 2018, 10:17
Liebe Feld- und Kleinbahnfreunde,

… wenig später erreichte ich dann Hamburg. Wie Sie sehen, fehlen mir bereits viele meiner Fenster und Fensterrahmen:
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Einige Tage später fand ich mich dann im britischen Kinnerley (Shropshire) bei den Eisenbahnern der Welsh Highland Railway wieder. Dort machte man mich bald mit allerlei Werkzeug über mich her, um mich zu restaurieren, so glaubte ich:
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Doch die geplante Aufarbeitung zerschlug sich nach einer näheren Untersuchung wegen meines angeblich schlechten Zustandes, sodass ich abgebrochen und meine Einzelteile "eingelagert" wurden. 60 Jahre hatte ich da bereits unter freiem Himmel verbracht. 1975-1984 zog die WHR stückweise nach Porthmadog auf die Gelert Farm in Wales um. In der Zwischenzeit hatte man sich aber, weil man mich wohl mit einem neuen Wagenkasten versehen wollte, fast aller Teile meines Wagenkastens entledigt.

Jahrelang lagerte ich nun zerlegt im Gebüsch und in einem feuchten Schuppen, wo mich das Frankfurter Feldbahnmuseum 2008 wiederentdeckte:
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Lediglich Rahmen und Drehgestelle sowie die Teile eines der Endabteile waren noch vorhanden. Die Kollegen der heutigen Welsh Highland Heritage Railway (WHHR) waren bereit, mich an das Frankfurter Feldbahnmuseum zu verkaufen. Im August 2009 war es dann so weit.

So fanden mich die Frankfurter Feldbahner bei der Abholung vor:
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Stück für Stück wurden meine Einzelteile vorsichtig in einen Kleintransporter und auf einen großen LKW verladen:
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Meine Drehgestelle hatte man mit Rollenlagern versehen und sie unter einem Eigenbau-Personenwagen fahren lassen:
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Nicht gerade zimperlich hatte man meine alten Holzbalken auseinandergenommen. So manche fehlende Ecke hatte ich Wales davongetragen:
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Einen Tag später landete ich dann nach meiner zweiten großen Reise in Frankfurt am Main.
Doch das ist eine andere Geschichte …

Bis dahin:
Auf Wiederfahren!
Hochachtungsvoll, Euer
Wismarwagen


Zuletzt von wismarwagen am Mo 26 Feb 2018, 21:34 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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lorenpapst
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Sa 24 Feb 2018, 22:14
Hallo Felix,
schöner Bericht über ein sehr interessantes Fahrzeug.

Gruß
Dirk
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So 25 Feb 2018, 22:42
Liebe Feld- und Kleinbahnfreunde,

Nach meiner Ankunft in Frankfurt wurden meine Überreste genauestens begutachtet und ein Restaurierungskonzept erstellt, um mich wieder in den Zustand der 20er Jahre als Wagen 13 der M.P.S.B. zurück zu versetzen.

So wie auf dieser Zeichnung sollte ich wieder aussehen:
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Leider zerschlug sich die Aufarbeitung auf Grund der hohen Kosten und fehlender Fördermittel. Dank der Spenden vieler Freunde der MPSB und des Einsatzes der Mitglieder des Feldbahnmuseums konnten in den nächsten Jahren jedoch bereits kleine Arbeiten erfolgen und einige historische Fotos, Baupläne und sogar Originalteile in ganz Deutschland aufgespürt werden.

Eines meiner Fabrikschilder hat in Jena überlebt:
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Genauso wie diese Wendeschilder aus dem Fakultativ-Abteil:
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Als ich bei den Abschiedsfahrten 1969 bereits „auf dem Rand“ stand, retteten zwei Brüder aus Thüringen auch eine meiner Gaslaternen:
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Ob ich wohl jemals wieder dieses Schild tragen werde?
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Schließlich fanden die Frankfurter Feldbahner im Archiv des Verkehrsmuseums Dresden auch einige meiner originalen Bau- und Angebotszeichnungen.
Doch leider sind die Preise auf diesem Angebot heute nicht mehr gültig:
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Hartnäckig arbeiteten die Feldbahner daran, die nötigen Mittel für meine Rekonstruktion zusammen zu bekommen. Und schließlich, 2017 sollte es so weit sein.
Doch das ist eine andere Geschichte …

Bis dahin:
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Mo 26 Feb 2018, 15:51
Mahlzeit Felix,

danke für die ausführliche Beleuchtung der Wagengeschichte. Ein kleiner Hinweis zum Dorf Kinnerley: es liegt im Norden der Grafschaft Shropshire und damit in der Region West Midlands, geografisch also nicht in Wales sondern in England. Auf walisisch/kymrisch heißt der Ort Chen-ar-dinlle.

Gruß Sven
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Di 27 Feb 2018, 18:17
Liebe Feld- und Kleinbahnfreunde,

als eines der ersten Projekte wurde eines meiner Gepäcknetze aufgearbeitet und erhielt eine neue Bespannung, um zu zeigen, daß man es mit meiner Rekonstruktion ernst meinte, und wie viel Arbeit diese Aufgabe erfordern würde:
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Im Januar 2017 schließlich wurde mein Fahrwerk rollfähig hergerichtet und zum ersten Mal konnte ich die Frankfurter Gleise befahren.

Eines meiner Drehpfannen-Oberteile, nach der Säuberung bereit zum Einbau:
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Der große Moment! Nach 45 Jahre stehe ich zum ersten Mal wieder auf meinen eigenen acht Rädern:
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Dadurch ermuntert arbeiten die Mitglieder des Feldbahnmuseums nun daran, mich in den nächsten Jahren in tausenden Arbeitsstunden Stück für Stück wieder aufzubauen, damit ich eines Tages wieder einer der luxuriösesten Personenwagen auf der 600mm-Spur bin, wie vor 100 Jahren:
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Meine Drehgestelle sind zerlegt zum Sandstrahlen, dahinter ist mein Rahmen bereits größtenteils grundiert und mit neuem Eisenwerk versehen:
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Auch meine verloren gegangenen Trittstufenhalter, die einst dem Schaffner den Wechsel von Waggon zu Waggon ermöglichten, mussten neu angefertigt werden:
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Und da stehe ich wieder, in alter Frische, auf dem Gleis:
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Da es jedoch auf den Frankfurter Gleisen mit Kurvenhalbmessern von 25 Metern bedeuten enger zugeht, als auf meiner Heimatstrecke mit Radien von 70 Metern, musste meine Zug- und Stoßvorrichtung neu konstruiert werden und ist nun, statt am Rahmen an den Drehgestellen angeschlagen:
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Alsbald wurde Platz in der Werkstatt geschaffen, damit die Arbeiten an meinem hölzernen Aufbau beginnen konnten.
Doch das ist eine andere Geschichte …

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Mi 28 Feb 2018, 08:22
Mahlzeit Felix,

den Bildern entnehme ich, das der in GB erfolgte Umbau auf Rollenlager nicht rückgängig gemacht wird? Warum dann die Rekonstruktion in den Zustand der 20er Jahre?
Wie sind die Kupplungen an den Drehgestellen geführt? Die großen Überhänge des Rahmens machen dann ja sehr lange Pufferstangen notwendig?

Gruß Sven
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Mi 28 Feb 2018, 10:26
Hallo Felix,

im Anschluss an die Frage von Sven: Stimmt denn durch den Umbau noch die Höhe der Zug und Stoßvorrichtungen? D.h. wäre der Wagen mit anderen Überlebenden der MPSB noch ohne weiteres kuppelbar?
(Anmerkung: Auf der Zeichnung und den Bildern sind die Mittelpuffer genau auf Rahmenhöhe, durch den Umbau scheinen sie jetzt deutlich darunter zu liegen)

Ich frage das deshalb, weil vor einiger Zeit auf der Waldeisenbahn Muskau mal ein MPSB Zug unterwegs war. Ein schöner Traum wäre es ja, wenn Euer Wagen eines fernen Tages auch mal in so einem Zug eingereiht wäre!

Viele Grüße, Matthias

PS - weils gerade dazu passt: Pfingsten 1992 in Meck-Pomm - leider war der letzte MPSB Zug bei meinem Besuch nicht gut zugänglich abgestellt und auch schon recht angegammelt:
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Mi 28 Feb 2018, 11:54
Hallo,

Die Puffer sitzen etwas tiefer, jedoch ist das Kuppeln von Fahrzeugen mit originaler Kupplugshöhe problemlos möglich.
Die neuen Puffer sind an den Drehgestellen befestigt.

Die Rollenlager sind aufgrund des hohen Aufwands für einen Neubau und die Wartung verblieben. Und um den Unterschied fest stellen zu können muss man sich schon vor den Wagen legen.

Zustand der 20er deshalb: Der Wagen soll ja zum Zustand der Jacobi passen;)
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bahner2
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Mi 28 Feb 2018, 15:07
.

Nur werden bei dieser Konstruktion die Zug- und Stosskräfte über die beiden

Drehkugeln / -pfannen geleitet was beiden nicht gut tun wird.



Einen schönen Tag
wünscht
Bahner2

.


Zuletzt von bahner2 am Mi 28 Feb 2018, 18:19 bearbeitet; insgesamt 1-mal bearbeitet
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